Umsonst und draußen

vor den Toren der Stadt wollte Richard Wagner ursprünglich seine Festspiele veranstalten. Ganz ohne feierlichen Rahmen, konzentriert nur auf die optimalen technischen und akustischen Darbietungsmöglichkeiten, sollte ein Festspielhaus entstehen, in dem sein vierteiliger Musikdramenzyklus „Der Ring des Nibelungen“ endlich als Gesamtkunstwerk erscheinen durfte. Aufführende und Publikum sollten dabei zu einer Gemeinschaft verschmelzen, die im Nachvollzug der mythischen Handlung den Banalitäten des Alltags und der politischen Gegenwart enthoben würden. Und die, auf diese Weise den kulturellen Grundwerten ihrer (und im übertragenen Sinn aller) Nation wieder angenähert, für deren Umsetzung auch im wirklichen Leben sorgen sollten. Das aber hieß für Wagner, der 1849 aktiv an der Dresdner Revolution teilgenommen hatte, einen demokratischen Nationalstaat zu bilden, in dem es vor allen Dingen der Kunst gälte.

Hochfliegende Ideen, Ideen, die nur vor dem Hintergrund der literarischen Romantik zu verstehen sind, die Wagner zu einer letzten, musikalisch-theatralen Blüte führte. Ideen auch, die heute kritischer Betrachtung bedürfen, denn mit Romantik Politik oder gar Staat zu machen, kann gefährlich werden. Weil „im politischen Bereich das Märchen zur Lüge wird“, wie etwa Thomas Mann 1937 feststellt. Dass Völker durch Sprache, Religion und Kunst typisch unterschieden sind, ist die eine Wahrheit, die aber bloß stimmt, wenn man sich gleichzeitig klarmacht, dass alle Völker von je genau in diesen Bereichen viel voneinander profitiert haben.

 Auch Richard Wagner wandte sich zwar aus gutem Grund gegen den oberflächlichen Historismus der Grand Opéra, die er als effektberechnete Geschichtsspektakel tadelte, aber er war eben Theaterkünstler genug, deshalb auf raffinierte Bühnenwirkungen in seinen Musikdramen nicht zu verzichten. Der Rückgriff auf mythische Stoffe bedeutete zwar eine Flucht aus der Geschichte, aber vor allem war er ein Aufbruch ins Psychologisch-Allgemeingültige. Wagner selbst betonte, wie er beim „Ring des Nibelungen“ mehr an die griechische als an die germanische Götterwelt gedacht habe. Menschliche Ursituationen treten daraus hervor. Und der Zuschauerraum seines Festspielhauses bekommt die demokratische Form des Amphitheaters.

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