"Wieland Wagner - Der Weg ist das Ziel"

Am 28.01.2018 hielt Dr. Georg Oswald Bauer

seinen Vortrag über Wieland Wagner im Haus der Stiftungen. Anja Silja erinnerte sich.

Der Bericht "Eine Welt aus Gittern, Mauern, Schweigen" über unsere Veranstaltung erschien in der Braunschweiger Zeitung vom 31.01.2018:

Jung war sie und stellte keine Fragen: Als gerade einmal 19-Jährige wurde Anja Silja 1960 von Wieland Wagner vom Fleck weg für die Senta im "Fliegenden Holländer" nach Bayreuth engagiert. In der Folge wurde die Sopranistin, die als 15-Jährige in Braunschweig debütiert hatte, dessen Muse und Geliebte.    

Im übervollen Haus der Braunschweigischen Stiftungen plauderte Anja Silja nun aus dem Nähkästchen: Wie ihr beim Vorsingen der Festspielchef rundheraus verkündete: "Sie können nach Hause fahren, ich kann Ihnen nichts beibringen." Er habe damit ihre Natürlichkeit und Jugendlichkeit gemeint, die er unverstellt auf der Bühne sehen wollte.

Von den großen Diven wie Christa Ludwig war er nur bedingt überzeugt: "Ich brauche sie, weil sie so gut singt." Darstellung war ihre Sache seiner Meinung nach nicht so sehr, und so ließ er sie auf der Bühne schlicht im Dunkel stehen. Da war die junge Berlinerin von ganz anderem Schlag. Dr. Oswald Georg Bauer berichtete auch darüber anschaulich in seinem Vortrag über Wieland Wagner, den er am Sonntag auf Einladung des Wagner-Verbands im Stiftungshaus hielt. Als Student habe er in Wien den Schleiertanz der Silja in Richard Strauss' "Salome" gesehen, die "mit wunderbar nacktem Rücken und schwarzer Lederhose" dem Publikum den Kopf verdrehte. Dafür wurde sie natürlich angegriffen, auch weil Wieland die meisten Rollen in dieser Zeit mit ihr besetzte.

Wieland Wagner begann zu schweigen, wenn es schwierig wurde. "Introvertiert war gar kein Ausdruck!", erklärte Silja. Aber sie heiterte den ersten Enkel Richard Wagners mit ihrer frischen, unverbrauchten Art wieder auf. Fragen stellte sie nicht. Auch nicht nach der Nazi-Vergangenheit in Bayreuth, Hitlers Besuchen bei der Familie. Zerrissen sei Wieland gewesen zwischen "Mutter und Geschichte". Mutter Winifred, begeisterte Nationalsozialistin und Anhängerin Adolf Hitlers, habe er trotzdem geliebt, räumlich trennte er sich aber von ihr und den Erinnerungen an den Nationalsozialismus, indem er im Garten von Wahnfried eine Mauer zum Haus der Mutter hochzog.

Mauern und Gitter waren auch stilbildend in seinen Inszenierungen: "Fidelio" 1954 in Stuttgart mit bühnenhohem Gitter als Gefängnis, "Elektra" 1962 beherrscht von verrostetem und verschlicktem Gestänge, "Lulu" hinter den Gittern einer Zirkusma- nege oder die Vision von Walhall in Wagners "Ring" als rissige Steinwand, eine durch das Archaische "überzeitliche politische Realität", so Bauer. Oper war für Wieland "Zeit-Theater", immer am Vorbild der griechischen Tragödie orientiert. Wiederholt ist der Chor wie im griechischen Amphitheater aufgebaut, wird das Theater zur Polis, zum demokratischen Verhandlungsort. Die Massenszenen in "Lohengrin" und "Meistersingern" werden so dem nationalistischen Naturalismus entrissen.

Slogans wie "Walhall ist Wallstreet" sollten dabei nur als Einstiegshilfen dienen, die er so plakativ-simpel nie inszenierte, erklärte Bauer. Vielmehr führte seine Werkanalyse in die Tiefenpsychologie. So eröffneten 1951 die Festspiele mit einem "Parsifal", der mit seiner Abstraktion des Raumes auf einen bloßen Kreis als Symbol des Vollkommenen Regisseur Wieland in die "vorderste Reihe der Theater-Avantgarde katapultierte". Die Säulen des Gralstempels schienen im Raum zu schweben - nur eine Vision des Heils.

In den vielen Diabeispielen machte Bauer die Anleihen bei der zeitgenössischen Kunst etwa Henry Moores oder Paul Klees deutlich und erläuterte die psychologischen Lichtstimmungen etwa im zweiten "Tristan"-Akt, dessen Liebesekstase von einem Netz aus Fieberbakterien überblendet war.

1966 starb Wieland Wagner, überarbeitet und ausgelaugt, mit nur 49 Jahren in München.

 

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