Buchvorstellung

Am 30. Oktober 2016 stellte Dr. Oswald Georg Bauer

 im Haus der Stiftungen seine zweibändige "Geschichte der Bayreuther Festspiele vor.

Eine wahre Enzyklopädie hat der renommierte Theaterwissenschaftler Oswald Georg Bauer über die Geschichte der Bayreuther Festspiele verfasst. Akribisch hat der langjährige Mitarbeiter von Festspielchef Wolfgang Wagner Inszenierung für Inszenierung chronologisch gelistet und beschrieben.

Zweibändig, auf über 1300 Seiten, die bezeichnenderweise mit dem Jahr 2000 enden und die damit die jüngeren Ereignisse weglässt. Schließlich könne ein Theaterwissenschaftler noch nicht abgeschlossene Epochen kaum haltbar bewerten. Ein deutliches Plädoyer wider den Zeitgeist, das mit stichhaltigen Argumenten unterfüttert sehr nachvollziehbar erscheint.

Da hört man gerne zu, und so beschwört der ehemalige Pressesprecher der Bayreuther Festspiele bei seinem Auftritt auf Einladung des Braunschweiger Wagner-Verbands die heutigen Regisseure, tiefschürfende Werkanalyse zu betreiben. Den Werken dienen solle man, nicht umgekehrt.

Viele von ihm beschriebene Geschichten und Episoden aus der Festspielgeschichte sind bekannt: Die Witwe Wagners, Cosima, die nach dem Tod des "Meisters" aus "Wahnfried den Vatikan in Sachen Wagner" machte. Sie setzt eine Germanisierung der Inszenierungen durch, die oft in genauem Gegensatz zu den Anweisungen Wagners steht. So wurde Bayreuth zu einem Sammelbecken der Deutschnationalen und auf dem Festspielhaus auch während der Weimarer Republik die schwarz-weiß-rote Reichsflagge aufgezogen, "dabei ist Wagner 1849 für die Republik und Schwarz-Rot-Gold auf die Barrikaden gegangen", so Bauer.

Als Hitler schon vor der Machtergreifung Bayreuth besuchte, bot ihm Siegfried Wagner begeistert das "Du" an. In der Nazizeit verwandelten sich die Festspiele in ein Hakenkreuzmeer. Und Wagner-Enkel Wieland nutzte die Nähe seiner Mutter Winifred zu Hitler zum eigenen Vorteil. Er besuchte die Aufführungen in Wehrmachtsuniform, wo sogar Hitler Smoking trug.

Nach der Wiederbelebung der Festspiele 1951 schuf Wieland "maßstabsetzende, revolutionäre Inszenierungen", so Bauer. Dagegen wurde Wolfgang Wagner von den Kritikern einhellig als "nicht nur altmodischer, sondern inkompetenter Regisseur" abgetan. Für ihn bricht er eine Lanze, seien doch seine "Meistersinger" von 1996 eine "Comédie humaine", angesiedelt im wiedervereinigten Deutschland, gewesen.

Wenn Bauer aber am Ende die Fragen der Zuhörer beantwortet, dann plaudert er aus dem Nähkästchen jener Zeit, in der die Welt uneingeschränkt und ausschließlich nach Bayreuth blickte: In jenen Jahren, wo die Franzosen Patrice Chéreau und Pierre Boulez mit dem sogenannten "Jahrhundert-Ring" 1976 Maßstäbe setzten.

Und hier wird seine Geschichte packend: Wie Wolfgang Wagner vor hunderten Journalisten den klaren Schulterschluss mit Chéreau und Boulez suchte und damit den "Jahrhundertring" rettete. Die Beschreibung jener letzten Aufführung 1980, die mit 101 Vorhängen und eineinhalbstündigem Beifall endete. Oder das permanente persönliche Engagement des Franzosen, der sogar den Bühnennebel selber machte und als Statist spontan selbst auftrat.

Neue Inszenierungen will Bauer nicht bewerten, aber am Ende wagt er doch Fazit und Ausblick nach 140 Jahren Bayreuth und Wagner: Es gelte, die Aktualität der Wagnerschen Themen zu entdecken und darzustellen. Und das sei die "Einforderung einer Gegenkraft, das Gegenmodell der Liebe, der Humanität in einer inhumanen Welt", einer Welt der "systematischen Ausbeutung, Unterdrückung und Verarmung ganzer Länder und Völker."

Da erntet er viel Kopfnicken im voll besetzten Stiftungssaal, verbunden mit warmem Applaus für den engagierten Redner. Sebastian Barnstorf

 

 

 

 

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